Aus einem Vortrag Bruno Grönings vom 30.03.1956 in Plochingen
“Nun, liebe Freunde, hierbei muss ich Sie herzlichst darum bitten und Ihnen sagen, dass Sie nur das Gute erlangen können, so Sie sich wirklich von dem Bösen lösen, dass Sie jetzt keinen bösen Gedanken aufnehmen. Damit will ich sagen, dass Sie sich nicht mit dem Unheil befassen sollen, sondern mit dem zu befassen haben, der Ihnen das Heil bringt. Und wenn ich Sie jetzt frage: Wer ist Ihr, wer ist unser Heilbringer? Soweit Sie es aus der christlichen Lehre wissen, ist es Christus selbst. Aber Sie selbst konnten nicht folgen. Sie sind nicht mehr gotthörig, Sie sind menschenhörig geworden. Und alleine aus diesem heraus haben Sie es als Ihre Pflicht und Schuldigkeit gehalten, dass Ihnen ja auch zu einer Macht, zur Macht der Gewohnheit, geworden ist, dass Sie immer wieder auf Menschen hörten und niemals auf das, was Gott uns, was jedem Menschen, im Einzelnen gesehen, zu sagen. Und grade deshalb, liebe Freunde, konnten Sie ja nie Gott folgen. Und daher konnten auch Sie keinen Erfolg haben, daher konnten Sie ja auch nie das erlangen, was Gott für Sie bestimmt hat. Sie selbst haben sich – seien Sie offen und ehrlich zu sich selbst! – an sich, an Ihrem Körper versündigt.”
In diesem Abschnitt wird, wie auch im vorangegangenen, gehandelt von der Ermahnung zum Guten und Wahren, von der Verkehrung des Guten und Wahren in Böses und Falsches durch den Menschen und von der Macht der Gewohnheit. Schließlich wird gehandelt von der wahren Gotteserkenntnis.
“Nun, liebe Freunde, hierbei muss ich Sie herzlichst darum bitten und Ihnen sagen“ bedeutet, der Apell an den Menschen, zur Aufnahme des Guten („herzlichst bitten und Ihnen sagen“) durch Verabscheuung des Bösen („so Sie sich wirklich von dem Bösen lösen“) und Aufnahme des Wahren („keinen bösen Gedanken aufnehmen“). Denn das Wahre im Worte Gottes kämpft gegen das Falsche und somit gegen das Böse im Menschen. Das Wahre im Worte Gottes ist der Herr selbst.
Es ist also der Herr, der fortwährend in uns gegen die Falschheiten und Bosheiten kämpft, damit wir nicht in unseren Sünden untergehen, wie dies in der ältesten Zeit bei den Menschen der Fall war, die nicht mehr zu bessern waren. (Die Sintflut bezeichnet das Ertrinken des Menschen in seinen Sünden.) Dass der Herr selbst in uns und für uns kämpft (und siegt) wird aus Folgendem klar. „Damit will ich sagen, dass Sie sich nicht mit dem Unheil befassen sollen, sondern mit dem zu befassen haben, der Ihnen das Heil bringt.“ „Befassen“ bezieht sich auf fühlen und bedeutet im inneren Sinn eine innere Wahrnehmung vom Ganzen, hier also die ganze (oder totale) Trennung vom Bösen („Unheil“) und die ganze (oder totale) Verbindung mit dem Herrn („mit dem zu befassen haben, der Ihnen das Heil bringt“). „Und wenn ich Sie jetzt frage: Wer ist Ihr, wer ist unser Heilbringer?“ bedeutet, des Menschen Unklarheit bzw. Unglaube bezüglich des Herrn. „Soweit Sie es aus der christlichen Lehre wissen“ bedeutet, dass die christliche Lehre, d.h., die Lehre aus dem Worte Gottes, wenn überhaupt, nur äußerlich, im Gedächtnis, welches mit dem Wort „wissen“ bezeichnet wird, abgelegt ist. „ist es Christus selbst.“ Das Wörtchen „selbst“, auf den Herrn bezogen, bezieht sich auf sein innerstes Wesen: das Heilige des göttlich Guten oder das Himmlische der Liebe, welches „Vater“ genannt wird. „Christus“ bezeichnet das Geistige oder das Wahre des göttlich Guten, welches „der Sohn“ genannt wird, somit die Verbindung des göttlich Guten mit dem göttlich Wahren, (die Ehe des Guten und Wahren oder die Himmlische Ehe), somit das ganze Wesen des Herrn.
Der Herr ist Einer, wird im Worte Gottes, im Buchstabensinn, aber wie Zwei dargestellt, als der „Vater“ und der „Sohn“. (Über diese wechselseitige Beziehung von „Vater“ und „Sohn“ spricht der Herr selbst bei Johannes: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Glaubet mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir.“)
„Aber Sie selbst“ bezieht sich auf das Innerste des Menschen, welches sind seine inwendigsten Willens-Neigungen. Denn diese machen den Menschen, sein Selbst, aus. „konnten nicht folgen.“ bedeutet, nicht den Willen zum Folgen haben. Denn, wo ein Wille, da ist auch ein Weg und wo kein Wille, da ist auch kein Weg. „Nicht können“ bedeutet demnach im inneren Sinn „nicht wollen“.
Der innere Sinn dieses Textes ist also folgender: Der Mensch kann kaum mehr durch die Lehre Christi gebessert werden, weil er, wenn überhaupt, die Lehre nur seinem äußeren Gedächtnis übergeben hat, er demnach keine höheren Erkenntnisse daraus gewinnt und schließlich kein Wille zum Folgen nach der Lehre Christi vorhanden ist. Ohne Erkenntnisse ist eine Besserung zum Guten nicht möglich. („Willst du das Göttliche erleben, so musst du danach streben.“ Bruno Gröning) Dass der Mensch eine Besserung zum Guten, welches im innersten Sinn ist die Liebe zum Herrn und daraus zum Nächsten, nicht wirklich anstrebt, geht aus dem Folgenden hervor.
„Sie sind nicht mehr gotthörig, Sie sind menschenhörig geworden. Und alleine aus diesem heraus haben Sie es als Ihre Pflicht und Schuldigkeit gehalten, dass Ihnen ja auch zu einer Macht, zur Macht der Gewohnheit, geworden ist, dass Sie immer wieder auf Menschen hörten und niemals auf das, was Gott uns, was jedem Menschen, im Einzelnen gesehen, zu sagen. Und grade deshalb, liebe Freunde, konnten Sie ja nie Gott folgen.
„Menschenhörig“ bedeutet, aus Eigen- und Weltliebe sich im Falschen und Bösen („Pflicht und Schuldigkeit“ ) befinden. Die „Macht der Gewohnheit“ ist das Wohnen, also, das leben in seinen (bösen) Willensneigungen.
„Und grade deshalb, liebe Freunde, konnten Sie ja nie Gott folgen.“ Hier nochmal die Bekräftigung des Vorangegangenen, dass der Mensch Gott nicht folgen kann, d.h., nichts wirklich Gutes tun kann, solange er den Willen dazu nicht hat, d.h. im innersten Sinn, keine Liebe zum Herrn und daraus zum Nächsten, stattdessen die Liebe zu sich und zur Welt.
„Und daher konnten auch Sie keinen Erfolg haben, daher konnten Sie ja auch nie das erlangen, was Gott für Sie bestimmt hat.“
Der Mensch ist für den Himmel bestimmt. Da der Himmel aber kein Ort ist wo man hinkommen kann, sondern ein Zustand in dem man lebt, muss der Mensch geistig wiedergeboren, d.h. umgebildet werden. Diese geistige Wieder- oder Neugeburt, die Bruno Gröning hier mit dem Wort „Erfolg“ bezeichnet (er folgt), und anderswo im äußeren Sinn als „Heilung“, konnte der Mensch nicht mehr erlangen. („Wir sind nicht mehr heil, weil wir nicht mehr heilig sind.“, „Heil, Heilung, Heiligung“ Bruno Gröning)
Heilung ist ein äußeres Mittel zur Besserung des inneren Menschen. Was der innere Mensch ist, folgt weiter unten.
„Sie selbst haben sich – seien Sie offen und ehrlich zu sich selbst! – an sich, an Ihrem Körper versündigt.” bedeutet, das Böse und Falsche in sich zu erkennen, anzuerkennen und zu verabscheuen. „an sich, an Ihrem Körper versündigt“ bedeutet, der nicht mehr gotthörige Mensch, der ein äußerlicher, oberflächlicher Mensch geworden ist, kann nichts wirklich Gutes tun und nichts wirklich Wahres wissen, denn in Allem ist Böses und Falsches beigemischt.
Die Selbsterkenntnis, von der hier gehandelt wird („seien Sie offen und ehrlich zu sich selbst!“), ist ein weiteres Mittel zur Besserung des Menschen und zwar das bessere. („Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung.“ Bruno Gröning) Dass die Selbsterkenntnis das bessere Mittel ist, hat den Grund, weil Selbsterkenntnis sich auf den inneren Menschen bezieht und Heilung auf den äußeren Menschen. Der innere Mensch ist das Inwendige seines Willens und Verstandes (des Wollens und Denkens), der äußere Mensch ist dessen Auswendiges (das Sprechen und Tun). Da der Mensch aber ein immer mehr äußerlicher geworden ist und sogar ein sinnlicher, oberflächlicher, materieller („Sie sind zu materiell eingestellt“ Bruno Gröning), ist Heilung das geeignete Mittel zur Besserung des äußeren Menschen. („Ich heile um den Menschen wieder gut zu wissen.“ Bruno Gröning) Heilung ist demnach ein Mittel zum Zweck.
Der Zweck ist die Besserung und Seligmachung des Menschen. Die Besserung schreitet voran von Außen nach Innen, vom äußeren zum inneren Menschen, bis auch das Innerstes des Menschen gebessert ist und er seine Bestimmung erreicht hat. Denn das Himmelreich Gottes kommt nicht mit äußerem Schaugepränge, sondern ist inwendig im Menschen.
(Der Weg zu Gott beginnt bei uns, aufhören tut dieser bei Gott selbst.“ Bruno Gröning)